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Lebensbilder der Familie Schluttig (Zluticky)

Die folgenden Beschreibungen entstammen der Familienchronik des Major a. D. Oswald Schluttig, ergänzt von Karl-Heinz Schluttig.

 

Ernestus Sigismund Schluttig (1705-1783, Musketier und Cornet, Wappenträger)

Es ist zugleich das älteste bekannte Lebensbild eines Jöhstädter Schluttig. Den Aufzeichnungen des Oberrat von Guttenberg aus der Familie des Majors zufolge heiratete die Witlieb von Degenhardt, leibliche Tochter des von Guttenberg,


"Einen landfremden Reiter, so sich Ernst Sigismund Schluttig nennet und aus Sachsen oder Pohlen stammen will, gegen den Willen ihres Geschlechtes. Sie erzeugte mit ihm 3 Kinder und ist bald in Gott entschlafen, so Gott ihr´ Gnade ist. Schluttig ein starker Kerl gewesen aber arg verliebt, auch soff er stark. War Mousquetier, dann aber Cornet bei der Pohlnischen Reiterei, war tapfer in den Bataillen, daher ihm Pohlnische Majestät ein Wappen bestätigte. Ist nach dem Tode der Ehefrau aus Augsburg verschwunden, hat aber sein Blut (Kinder) in Franken gelassen“.

Er kam um 1740  nach Jöhstadt zurück. 1741 heiratete er als Bürger und Hufschmied in Jöhstadt de Christliebe Schlesingerin, die Tochter eines zugewanderten Röhrenmachers. Das dem Ernst Sigismund Schluttig wahrscheinlich um 1730 bestätigte Wappen ist noch in einem alten Wappenverzeichnis der von Guttenbergs und verschwägerten Geschlechtern von 1763 erhalten. Der Bestätigungsbrief selbst ging verloren. Es handelt sich ziemlich sicher um das alte Zlutticky Wappen.

 

Anton Ernst Schluttig alias Holtenbeyn (~1770-1838, Amtmann)

Dort, wo unterhalb Hof/Saale, der Flecken Oberkotzau liegt, bei dem sich die Bahn nach Selb, dem Porzellan- und Grenzstädtchen an der Tschechei, und die herrlich "schiefe Ebene" herunter nach Neuenmarkt-Bayreuth gabelt, liegt über dem Ort das alte Schloss der Herrschaft Oberkotzau. Jetzt unbewohnt. Dort lebte und dort starb 1838 der Amtmann Anton Ernst Schluttig im biblischen Alter im ersten Jahre seiner Ehe! Anton Ernst war der letzte Nachkomme des Ernst Sigismund Schluttig. Der Oberkotzauer Amtmann hatte das wilde Blut des "Reiterernst". Er wurde um 1770 geboren und erlebte die Zeit der französischen Revolution und zog mit Napoleon nach Russland. Dort ließ er ein Bein in den Eisgefilden, befreundete sich mit dem Besitzer von Oberkotzau und wurde von diesem als invalider Soueleutnant als Amtmann angestellt. Von seinem Holzbein bekam der anscheinend immer frohe Zecher den Beinamen Holtenbeyn auch Holtbeyn. Mit diesem Namen hinterließ er zwei uneheliche Söhne, die ihn als Holtben fortpflanzten. Das Alter hat ihn dann nachdenklich gemacht und ihn veranlasst "um sich zu verjüngen", als etwa 65 jähriger ein junges Mädel zu heiraten. Das Experiment bekam ihm schlecht, nach einem Jahr starb er, tief betrauert von seinem Wirt, weniger von seiner jungen Witwe, die sich bald mit einem Manne, der den nahrhaften Namen Brotesser trug, verheiratete und Mutter vieler Kinder wurde. Sie starb 1874 und hinterließ eine Art Tagebuch aus den die obigen Angaben stammen.

In doppelter Hinsicht ist der trinkfeste Amtmann interessant! Er zeigt einmal, wie die verschiedensten Familien blutgemäß zusammen gehören können, - Zlutticky, Schluttig, Schlottig, Schluttus, Schlutt, Holtben -, so dass die Trinkfestigkeit, Verliebtheit, Wanderlust und die Freude an Abenteuern sich vererben können.
Die fränkischen Schluttigs sind ausgestorben. Aber noch heute (1936) erzählen sich alte Oberkotzauer Schlossangestellte, von den derben Schwänken, des alten Amtmannes. Dessen Leben und Trinklieder in etlichen Mitternachtsstunden noch im Schloss zu Oberkotzau, in dem sonst nur Eulen und Fledermäuse wohnen, zu hören sein sollen. Und darum "prosit", den Nachkommen des Reiterfähnrichs Ernst Sigismund Schluttig! (Oswald Schluttig).

 

Carl Wilhelm Schluttig (1803-1830, Philologe, Hauslehrer des Herzogs von Vicence in Paris)

Der Herzog von Vicence in Paris erwartet den neuen deutschen Hauslehrer für seine Söhne. Das Herzogtum ist noch recht neu. 1783 als Sohn eines kleinen Advokatenschreibers geboren, hat er als Junge noch die große Revolution mitgemacht, die Marseillaise gesungen und die Trikolore geschwenkt. Mit dem Ruf des siegreichen republikanischen Standes: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, hat er die Köpfe der alten Aristokraten rollen sehen. Dabei erlebte er die Hinrichtung Marie Antoinette. Die Aufnahme zu den Soldaten, des Korsen Napoleon, machte ihn selbst zum Herzog. Er war einer der Lieblinge Napoleons und sein großes Ölbild und manche Andenken an ihn schmückten sein großes Palais.
Ihm wurde der junge Philologe Wilhelm Schluttig, Sohn eines ehrsamen Strumpfwirkermeisters und Bürgers Gotthelf Schluttig 1776 – 1843, empfohlen, durch einen deutschen Baron von Brandenstein, dieser war der natürliche Vater seiner Mutter. Die Mutter war seine Geliebte. Später verheiratete er sie mit dem herrschaftlichen Diener Ochs.
Am 17.10.1820 trat Wilhelm seine Reise nach Paris an. Nach  acht Tagen erreichte er, von Chemnitz über Leipzig, Weimar, Erfurt, Mainz, Strassburg, Paris. Er hat uns eine ganz köstliche "Reise eines Philologen" hinterlassen, in dem er die mannigfachen Abenteuer in der alten rumpeligen Postkutsche schildert. Dann folgt ein Tagebuch (beides in Besitz des Oswald Schluttig) über die Pariser und die nachfolgende Römische Zeit 1829 - 1830. Hier starb Wilhelm nach kurzem aber sehr interessantem Aufenthalt einen plötzlichen Tod (Gift?), Einige Tage bevor er zu einer festen Staatsstellung nach Chemnitz zurückreisen wollte. In Rom gehörte er zu den Freunden des Dichters Graf Platen.
Sein Grab liegt an der Via Appia in Rom, wo Oswald Schluttig sein Grabmal 1905 noch besuchte. "Sein Tagebuch und der Briefwechsel mit seinen Eltern lassen uns aber auch einen Einblick in das Familienleben einer Bürgerfamilie der Biedermeierzeit tun.  Wir sind erstaunt über den geistigen Hochstand und den Bildungsgrad der _Familie. Im mir vorliegendem Chemnitzer Anzeiger vom 6.11.1830 erhielt Wilhelm Schluttig einen langen Nachruf. Er war ein Kind seiner Zeit, etwas weich und phantasievoll-schwärmerisch. Sehr gute Lithographien von ihm besitze ich und der "Platenbund“, schreibt Oswald Schluttig weiter.  
 


Carl Anton Schluttig (1812-1877, Pfarrer in Gelenau)

Anton Schluttig 1812 - 1877, seit 1847 Pfarrer in Gelenau, verh. 1842 mit Clara Hesselbarth (Tochter des Pfarrers Hesselbarth und seiner Ehefrau geb. Freiin von Hartitsch), war aus anderem Holz geschnitzt. Nach seinem Ölbild, das wie das seines Schwiegervaters Hesselbarth in Besitz Oswald Schluttig ist, war er von kleiner, zierlicher Figur mit dunklem Haar und dunklen großen Augen. Ihm war nicht beschieden wie seinem Bruder Wilhelm, sich das Leben im Herzogspalast und bei frohen, sangeslustigen Freunden in Rom schön zu machen. Ein Büchlein "Aus Gelenaus Vergangenheit" und historische Nachrichten über die Kirche in Gelenau, beide verfasst von seinem Nachfolger im Amt Pfarrer Chr. Fritzsche 1885, lassen uns das entsagungsreiche Leben des Anton recht deutlich werden. Auch ihm winkte der Flug in ein besseres Amt durch eine Berufung nach Dresden, er lehnte sie ab mitten in der Hungertyphuszeit 1854, der bereits 1846 eine allgemeine Missernte voran ging. Mit dem Strumpffaktor Hoffmann war er unermüdlich tätig, bei der Kreisdirektion Zwickau und in Dresden die Errichtung von Suppenanstalten zu betreiben, er erließ öffentliche Hilferufe und hungerte mit seiner Gemeinde. Dazu kam 1860 ein furchtbares Unwetter, welches das halbe Dorf verwüstete. Er wurde nicht mit Liebe empfangen, als er 1847 in Gelenau eintraf. Unglaubliche Schulverhältnisse, die Lockerung der Sitten (bei dem Amtsantritt lebten in dem kleinen Dorf 119 Paare im Konkubinat) und die Spaltung in Konfessionen machte ihm das Leben schwer. Bei seinen Gegnern war er so verhasst, dass er mit dem Revolver in der Tasche die Kanzel besteigen musste. Gelenau (Hirschau), ursprünglich eine slawische Ansiedlung hatte als Guts- und Patronatsherren die von Schönberg, die seit 1218 in der Mark Meißen nachweisbar 1774 erloschen. Zur Zeit des Großvaters von Oswald Schluttig war der Erbe Gelenaus Georg, Kaspar Ferdinand Gutsherr von Gelenau, Thannenheim und Zschochau.
1580 wurde die Reformation eingeführt. Die Kirche ist klein, düster und war sehr baufällig. Außer einigen Grabdenkmälern der Schönbergs, hängt an der Kanzel das große Bild von Anton Schluttig. Nach einem entsagungsvollen Leben wurde ihm doch der Lohn für Treue und Liebe in der späten Verehrung durch seine Gemeinde, er wurde für sein Wirken zum Ritter des königlich sächsischen Verdienstordens ernannt, eine damals seltene Auszeichnung für einen kleinen unbekannten Dorfpfarrer. Er starb völlig arm, weil er alles hergab. Nun ruht er seit 1877 neben seiner Lebensgefährtin Clara vor seiner hoch gelegenen Kirche in dem etwas wilden Friedhof in Gelenau. 1928 erzählten noch alte Leute von ihrem wirklich heldenmütigen Pfarrer Schluttig.

 

Volkmar Schluttig (1843-1925, Prediger am St. Petridom in Bremen)

Die markanteste Persönlichkeit dieses Familienzweiges war aber Volkmar Schluttig 1843 - 1925, Vater von Oswald Schluttig, zuletzt Prediger am St. Petridom in Bremen, verheiratet 1872 mit Alwine Caesar (Tochter des späteren Landesgerichtpräsidenten Caesar Detmold 1850 - 1934). In den kargen Verhältnissen des Gelenauer Pfarrhauses aufgewachsen, wurde bereits 1876 der junge, schmale Hilfsprediger aus Detmold an eine der ersten Pfarrstellen berufen. Hier entwickelte er die ganze Kraft des alten aber unverbrauchten Bürgergeschlechtes. "Slutting is ein büschen grow (grob). En gauten Kirl is hei dooch!" sagten seine Bremer in so vielen Häusern hängt heute noch (1937) das Bild des alten Seelsorgers. Ein ernster Lutheraner, aber durchaus tolerant gegen anders denkende Menschen, hat er als streitbarer Gottesmann, wenn man ihn angriff, auf Luthers Bibel geschlagen: "Das Wort sie sollen lassen steh´n!" Ganz ungeheuer war der Zulauf zu ihm. Als ein Verfechter der Personalgemeinden, d.h. jeder konnte zu dem Pfarrer in Bremen gehen der ihm zusagte, diese Art der Betreuung seiner vielen Anhänger ging fast über seine Kräfte. Die oft mystischen Predigten in dem gewaltigen Dom zog viele Zuhörer an, do das er meist überfüllt war. Ein gewandter Gesellschafter, bewegte er sich doch am liebsten unter seinen "lütten Leuten" am Rande Bremens. Er war durchaus ein Lebensbejaher und stets gern gesehener Gast in unserem Offizierskasino, auch liebte er Theater, Musik und Geselligkeit. Ein feiner Pferdekenner (vielleicht das Erbteil des "Reiterernst 1705"  und seiner Großmutter v. Hartitzsch), hoch musikalisch, von hoher, als Greis patriarchalischer Erscheinung, war er im Jahre 1900 eine der bekanntesten Persönlichkeiten Bremens. Einen Ruf des Kaisers, mit dem er viel zusammen war und den er hoch verehrte, nach Berlin lehnte er ab, ebenso wurde in seinem Sinne ein feierliches Staatsbegräbnis abgelehnt. Seine Kollegen aber sagten über seinem Grab: "Sein ja war ja bedächtig, sein nein war nein vollkräftig.“

 

Louis Schluttig (1836-?, Goldschmiedemeister, Hofjuwelier)

"Gott segnet das ehrbare Handwerk" kann man über das Lebensbild unseres Vetters Louis Schluttig sagen. Als Sohn des Goldschmiedes Moritz Schluttig (1810 - 1883) und seiner Ehefrau Wilhelmine (1812 - 1857), 1836 in Zwickau geboren, setzte das traditionelle Schmiedehandwerk der Schluttigs fort. Er vererbte es an seinen, in Amerika lebenden Sohn, Alexander und seine unverheiratete Tochter Maria weiter. Schon als Schüler, ein begabter Zeichner, war er als Lehrling und junger Meister 1851 - 1858 in Hohenstein und Wien. 1862 mit Wilhelmine Mourgnes verheiratet, gründete er 1865 in Berlin eine Goldschmiedefabrik. Als Meister seiner Kunst hatte er bald einen guten Namen. Der kaiserliche Hof und die beste Hofgesellschaft waren Kunden des Hofjuweliers Schluttig. Die Familien von Bismarck, von Arnim, von Thiele - Winkler, von Seeckt, York, von Wartensleben und viele andere schenkten ihm auch für Reparaturen bei altem Familienschmuck ihr volles Vertrauen. 1888 fertigte er sein Meisterwerk für den Kaiser, ein 14 cm hohes, 10 cm breites Kreuz mit Brillianten und Rubinen an einer 1,5 m langer Kette, ein Geschenk des Kaisers an den Papst in Rom. Seine Ehe wurde mit 9 Kindern gesegnet, von denen 4 Töchter und ein Sohn noch leben (1937). 1889 trat bereits seine Tochter Maria bei ihm im Geschäft ein, und führte es nach dem Tode des Vaters weiter. Die Inflation raubte alles, aber Marias Wahlspruch war: "Nun erst recht!" Sie hielt durch und tätigte als 65 jährige gern noch manchen Auftrag. Das Ladengeschäft in der Potsdamer Straße, dann Mohrenstraße endlich Friedrichstraße war jedem alten Berliner bekannt.
 

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